Der Worst Case - Inkasso

Bild: Focus online (https://www.focus.de/finanzen/recht/falsche-forderungen-ueberhoehte-gebuehren-nicht-registrierte-firmen-inkasso-terror-fuenf-klare-alarmzeichen-woran-sie-einen-betrueger-erkennen_id_10650574.html)
In Deutschland existiert als finaler Schritt das Inkassoverfahren, welches ein wichtiger Bestandteil des Forderungsmanagements ist und von Inkassounternehmen durchgeführt wird. Diese Unternehmen spezialisieren sich auf die Eintreibung von Schulden, die von Gläubigern an sie übergeben werden. Der Einsatz eines Inkassobüros erfolgt häufig dann, wenn der Schuldner trotz wiederholter Mahnungen und Fristsetzungen nicht reagiert hat. Inkassounternehmen fungieren dabei als Vermittler zwischen Gläubiger und Schuldner und arbeiten in der Regel auf Basis einer Vergütung, die meist an den Erfolg gekoppelt ist. Ein Inkassoverfahren gliedert sich in drei Phasen, die jeweils bestimmte Ziele verfolgen und unterschiedliche Maßnahmen beinhalten. Jede dieser Phasen hat ihre eigene Vorgehensweise, die sowohl für den Schuldner als auch für den Gläubiger von Bedeutung ist.
1. Vorgerichtliche Phase
Die vorgerichtliche Phase ist der erste Schritt, den das Inkassounternehmen einleitet, wenn eine offene Forderung vorliegt. In dieser Phase geht es vor allem darum, eine schnelle und möglichst gütliche Einigung zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner zu erzielen. Das Inkassounternehmen wird in der Regel zu Beginn der Inkassotätigkeit eine Mahnung an den Schuldner senden, die eine Aufforderung zur Zahlung enthält. Oftmals wird hierbei eine Frist gesetzt, innerhalb derer die Zahlung geleistet werden muss. Ziel der vorgerichtlichen Phase ist es, den Schuldner zur Zahlung zu bewegen, ohne dass es zu weiteren rechtlichen Schritten kommt. Das Inkassounternehmen kann dem Schuldner auch einen Zahlungsvorschlag unterbreiten oder, falls der Schuldner finanziell in einer schwierigen Lage ist, eine Ratenzahlung oder eine Reduzierung der offenen Forderung anbieten. Manchmal erfolgt in dieser Phase auch eine persönliche Kontaktaufnahme, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Das Inkassobüro versucht, mit dem Schuldner eine außergerichtliche Einigung zu erzielen, um eine langwierige und teure gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Sollte der Schuldner jedoch auf diese Mahnung hin nicht reagieren oder die Zahlung verweigern, wird das Inkassobüro in der Regel die gerichtliche Phase einleiten.
2. Gerichtliche Phase
Wenn der Schuldner in der vorgerichtlichen Phase nicht zahlungsbereit ist, folgt die gerichtliche Phase. In dieser Phase kann das Inkassounternehmen ein gerichtliches Mahnverfahren einleiten. Dies bedeutet, dass der Gläubiger bei Gericht einen Mahnbescheid beantragen kann. Der Mahnbescheid ist eine offizielle Aufforderung, die dem Schuldner zugestellt wird, mit der der Gläubiger die Forderung einfordert und gleichzeitig eine Frist zur Zahlung setzt. Wird dem Mahnbescheid nicht widersprochen, ergeht nach Ablauf der Frist ein Vollstreckungsbescheid. Dies bedeutet, dass der Gläubiger das Recht hat, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner einzuleiten. Dazu gehören Maßnahmen wie die Pfändung von Einkommen oder Vermögen des Schuldners. Legt der Schuldner jedoch Widerspruch gegen den Mahnbescheid ein, wird das Verfahren gestoppt und der Gläubiger muss eine Klage einreichen, um vor Gericht zu beweisen, dass die Forderung gerechtfertigt ist. Dies führt zu einem Gerichtsverfahren, in dem der Schuldner und der Gläubiger ihre Positionen darlegen. Ein Urteil im gerichtlichen Verfahren führt zu einem sogenannten vollstreckbaren Titel, der dem Gläubiger das Recht gibt, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn der Schuldner weiterhin nicht zahlt. Die gerichtliche Phase kann je nach Fall und Gericht unterschiedliche Zeiträume in Anspruch nehmen, aber sie ist ein notwendiger Schritt, um zu einem Vollstreckungsbescheid zu gelangen, falls der Schuldner nicht bereit ist, freiwillig zu zahlen.
3. Nachgerichtliche Phase
Die nachgerichtliche Phase ist der letzte Schritt im Inkassoverfahren und tritt ein, wenn ein Vollstreckungsbescheid oder ein anderes gerichtliches Urteil ergangen ist, das die Forderung des Gläubigers bestätigt. In dieser Phase hat der Gläubiger das Recht, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner einzuleiten, um die Forderung einzutreiben. Das Inkassounternehmen beantragt beim Vollstreckungsgericht eine Pfändung des Einkommens oder des Vermögens des Schuldners. Dies kann etwa die Pfändung von Bankkonten, Löhnen, Gehältern oder anderen Vermögenswerten umfassen. Ist es nach der Pfändung noch immer nicht möglich, die Forderung vollständig zu begleichen, wird das Inkassounternehmen ein Überwachungsverfahren einleiten. In diesem Verfahren wird die finanzielle Situation des Schuldners regelmäßig überprüft. Das Inkassobüro überprüft dabei, ob der Schuldner in der Lage ist, seine Schulden zu begleichen, und ob gegebenenfalls weitere Pfändungsmaßnahmen ergriffen werden müssen. Ein Überwachungsverfahren kann auch die Einleitung von weiteren Vollstreckungsmaßnahmen zur Folge haben, wenn der Schuldner weiterhin nicht zahlt. Während der nachgerichtlichen Phase kann das Inkassounternehmen auch mit dem Schuldner in Kontakt bleiben, um gegebenenfalls eine Teilzahlung oder eine Vereinbarung zu treffen, die es dem Schuldner ermöglicht, die Forderung in Raten abzuzahlen. Solche Vereinbarungen können helfen, weitere rechtliche Schritte zu vermeiden und dem Schuldner eine Möglichkeit zur Schuldenregulierung zu bieten.
Wie lange dauert ein Inkassoverfahren?
Ein Inkassoverfahren kann in Deutschland viele Monate dauern, insbesondere wenn es in mehreren Phasen durchgeführt wird. In der vorgerichtlichen Phase, in der das Inkassounternehmen versucht, eine schnelle Lösung zu finden, kann der Prozess in wenigen Wochen abgeschlossen sein, wenn der Schuldner kooperiert. Wird jedoch ein gerichtliches Verfahren notwendig, etwa weil der Schuldner den Mahnbescheid ignoriert, kann sich der gesamte Prozess deutlich verlängern. Nach Abschluss der gerichtlichen Phase und einem Vollstreckungsbescheid kann das Inkassounternehmen noch Monate oder sogar Jahre in der nachgerichtlichen Phase tätig sein, um die Forderung durch Pfändung oder andere Maßnahmen einzutreiben. Die genaue Dauer hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab, wie der Reaktion des Schuldners, der Höhe der Forderung und der Komplexität des Verfahrens. Was kostet ein Inkassoverfahren? Die Kosten für ein Inkassoverfahren können stark variieren und hängen vor allem von der Höhe der offenen Forderung ab. Generell liegt die Gebühr, die Inkassounternehmen für ihre Dienstleistungen berechnen, bei bis zu 1,5 % der Schuldsumme. Das bedeutet, dass für eine Forderung von 1.000 Euro das Inkassounternehmen bis zu 15 Euro an Gebühren erheben könnte – abhängig von der Höhe der Forderung und dem Aufwand des Verfahrens. Zu den Kosten kommen häufig noch zusätzliche Auslagen hinzu, etwa für die Zustellung von Mahnschreiben, Gerichtskosten oder Gebühren für Vollstreckungsmaßnahmen wie die Pfändung von Löhnen oder Konten. Auch diese Kosten müssen in der Regel vom Schuldner getragen werden, was das Verfahren insgesamt verteuern kann.
Zusätzliche Aspekte des Inkassoverfahrens
Es ist wichtig zu beachten, dass Inkassounternehmen nicht nur mit Schulden arbeiten, die von Anfang an beglichen werden mussten, sondern auch mit Forderungen, die aus verschiedenen Gründen nicht rechtzeitig bezahlt wurden. Inkassounternehmen sind in Deutschland gesetzlich verpflichtet, transparent zu arbeiten und dürfen keine unzumutbaren Maßnahmen ergreifen. Sie müssen sich stets an die Vorgaben des Datenschutzes und der gesetzlichen Bestimmungen halten. Zudem darf das Inkassounternehmen keine überhöhten Gebühren für die Eintreibung der Forderung verlangen. Der Schuldner hat das Recht, eine detaillierte Kostenaufstellung der Inkassogebühren zu erhalten. Für den Gläubiger ist es von Bedeutung, ein Inkassounternehmen zu wählen, das professionell und effektiv arbeitet. Ein gutes Inkassobüro sorgt nicht nur dafür, dass Forderungen eingetrieben werden, sondern informiert den Gläubiger regelmäßig über den Stand des Verfahrens und die getroffenen Maßnahmen.
Fazit
Das Inkassoverfahren in Deutschland ist ein mehrstufiger Prozess, der darauf abzielt, offene Forderungen einzutreiben, wenn der Schuldner nicht freiwillig zahlt. Es beginnt mit der vorgerichtlichen Phase, in der das Inkassounternehmen versucht, eine außergerichtliche Lösung zu finden, und geht über die gerichtliche Phase, die zu einem Vollstreckungsbescheid führen kann, bis hin zur nachgerichtlichen Phase, in der es gegebenenfalls zu Pfändungen und weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen kommt. Das Inkassounternehmen spielt in diesem Prozess eine zentrale Rolle und sorgt dafür, dass die Forderungen des Gläubigers durchgesetzt werden – stets im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der Rechte des Schuldners. Schuldner sollten nicht zögern, frühzeitig mit dem Inkassounternehmen oder dem Gläubiger Kontakt aufzunehmen, wenn sie in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Oftmals können bereits in der vorgerichtlichen Phase Lösungen gefunden werden, die sowohl den Gläubiger als auch den Schuldner entlasten. Ein verantwortungsvoller Umgang mit den eigenen finanziellen Verpflichtungen kann helfen, solche Verfahren zu vermeiden und finanzielle Schwierigkeiten frühzeitig zu lösen.
Quellen: Creditreform (https://www.creditreform.de/aktuelles-wissen/praxisratgeber/inkassoverfahren),Rechnungswesen-Portal.de (https://www.rechnungswesen-portal.de/Fachinfo/Umlaufvermoegen/Ablauf-eines-Inkassoverfahrens.html), Weisskopf Inkasso (https://weisskopf-inkasso.de/ablauf-inkassoverfahren/), Paywise (https://paywise.de/wissen/ablauf-inkassoverfahren/) und Lowell (https://www.lowellgroup.de/inkasso)